Bild von Gerd Altmann auf Pixabay

Ein Erlebnisbericht einer Jungunternehmerin

Anfang August 2019 habe ich entschieden, mich selbständig zu machen, eine Einzelfirma zu gründen und mein eigener Chef zu sein. Entrepreneur werden, wie man so schön sagt in Neudeutsch.

Gesagt, getan. Handelsregister-Eintrag gemacht, alles mit der Versicherung geklärt, mein Why-How-What erstellt, Logo-Design in Auftrag gegeben, erstes Mandat erhalten, viele Events besucht und mich unter die Leute gemischt, Artikel auf LinkedIn verfasst, Webseite online gestellt, alles gemacht, was man halt so tut, wenn man frisch sein eigenes Unternehmen startet.

Aber – was ich nicht getan habe: Mich wie eine Unternehmerin zu verhalten, so zu denken, meinen Mindset zu ändern, mein ganzes Sein zu shiften. Kein Wunder hatte ich ein «Gnuusch» mit meinen Hüten! Für diejenigen, die jetzt nicht verstehen worauf ich anspiele, lest mal meinen letzten Blogbeitrag.

Bis heute habe ich versucht es allen anderen recht zu machen, hatte Schwierigkeiten mit meinem Zeitmanagement, habe mich mit diesen Hüten abgekämpft und mich dabei selbst vergessen. Ich habe mich nach wie vor verhalten und gefühlt wie ein Angestellter. Natürlich bin ich mit meinen Services ein Dienstleister und führe Aufträge aus – aber mit welchem Bewusstsein und mit welcher Haltung?

Ich bin selbständig, mein eigener Chef, ich entscheide, welche Aufträge ich annehme, welche nicht und ob eine Zusammenarbeit/Partnerschaft für mich stimmt oder nicht. ICH entscheide das ganz allein. Ich kann alles und muss nichts. Ich bin aber auch allein dafür verantwortlich, ob ich am Ende des Monats meine Rechnungen bezahlen kann oder nicht. Es gibt kein Netz und keinen doppelten Boden. Das muss man erst mal sacken lassen.

Und wenn es dann ganz tief drinnen angekommen ist, muss an auch erst mal damit fertig werden. Ich war immer angestellt, mein ganzes Berufsleben lang und das hat mit der KV-Lehre im Jahr 1996 begonnen. So schnell wischt man 23 Jahre nicht weg. Das ist ganz schön lange im Vergleich zu meiner Selbständigkeit, die jetzt gerade mal 3 Monate dauert.

Dass das meine grösste Challenge werden wird, davor hat mich niemand gewarnt. Sonstige Tipps habe ich aber ganz viele bekommen:

«Nimm ja überall die Quittungen mit im Restaurant und von allem was du einkaufst, das kannst du in Abzug bringen» – Ja, meine Quittungs-Sammlung ist wirklich hübsch

«Du musst dich als Experte auf den sozialen Medien positionieren» – auch nicht so einfach, aber nachvollziehbar

«Du musst dich daran gewöhnen, dass du kein regelmässiges Einkommen mehr hast» – ich versuch’s!

«Wenn du nur von zu Hause arbeitest, wird du vereinsamen. Sieh zu, dass du zwischendurch rauskommst» – Ja, meine Selbstgespräche haben tatsächlich zugenommen, was eigentlich fast nicht möglich war…

«Lass deine erste Steuererklärung von einem Treuhänder machen, sonst bezahlst du viel zu viel» – das ist so geplant.

«Leg dir ein Buchhaltungssystem zu» – das habe ich getan, Excel war wirklich noch nie mein Freund.

Soweit so gut und alles super Tipps, vielen Dank an alle die sie mir gegeben haben. Warum hat aber niemand gesagt, dass ich in die Rolle des Unternehmers reinwachsen muss? Oder bin ich die Einzige, die sich damit schwer tut? Wenn ja, dann sorry für diesen Bericht, wenn nicht, warum hast du nichts gesagt? Ist das sowas, das jeder selber herausfinden muss? So wie man die Kleinkinder auf die heisse Herdplatte fassen lässt, weil sie eh nicht glauben, dass man sich verbrennt? Ist es Teil des Lernprozesses?

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Nun, ich versuche in diese Rolle reinzuwachsen und ich glaube ich hatte letztens einen «Aha-Moment», der mir die Augen geöffnet hat. Drei ganz wichtige Learnings:

  • Ich habe nicht verschiedene Hüte, sondern nur einen, nämlich meinen

Ich bin Graziana Müller, ich unterstütze Unternehmen im Vertrieb – Punkt. Vor lauter Hüten habe ich meine eigene Vision vergessen! Sorry fürs nochmals Zitieren:

In einer idealen Welt können wir gemeinsam ein Ökosystem schaffen, welches Unternehmen und Menschen miteinander verbindet und jeder genau die Unterstützung erhält, die er benötigt.

Wenn ich also verschiedene Unternehmen repräsentiere und Kunden aus meinem Netzwerk angehe, dann trage ich genau zu diesem Ökosystem bei, nämlich indem ich dem Kunden verschiedene Produkte und Services anbieten kann, aber alles immer in meinem Namen. Ich bin diejenige die die Brücken baut, die Verbindung herstellt, die unterstützt.

  • Ich muss nicht jeden Auftrag annehmen und nicht jede Partnerschaft eingehen, nur weil ich Geld damit verdienen kann

Hört sich arrogant an, so in der Aufbauphase? Nein, das ist nicht arrogant, sondern hilft mental gesund zu bleiben. Warum sollte ich mich mit Aufträgen und Partnerschaften quälen, die sich nicht gut anfühlen und die mir Zeit für Dinge rauben, die mich glücklich machen? Darum habe ich mich ja selbständig gemacht. Um die Dinge zu tun, die mich glücklich machen. Es ist vielleicht hart zwischen Geld und Herz zu entscheiden, aber ich bin überzeugt, mein Herz ist wichtiger.

  • Ich kenne meinen Wert und meine Werte

Natürlich muss ich Kunden und Aufträge akquirieren, aber ich muss nicht darum betteln und ich muss mich nicht unter Wert verkaufen. Meine Dienstleistung hat einen Preis, aber die Zusammenarbeit soll auf Augenhöhe stattfinden. Ich will meine Werte nicht verleugnen und mich nicht verbiegen. Transparenz, Vertrauen und Sinn sind mir wichtig. Wenn es dies in einer Partnerschaft nicht gibt, dann will ich sie nicht eingehen.

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Ich hoffe, dass noch ganz viele weitere Learnings dazukommen. Schliesslich hat man im Leben nie ausgelernt, das wäre ja mega langweilig. Wer still steht, hat verloren – darum auf ins Ungewisse!

Macht ihr ähnliche Erfahrungen? Was sind eure Learnings als Unternehmer? Was fällt euch schwer? Es wäre toll mich mit anderen Neu-Unternehmern auszutauschen, sich gegenseitig zu unterstützen, voneinander zu lernen. Wer wäre dabei? Vielleicht gibt es das auch schon, dann her mit den Infos.

Ich bin überzeugt 2020 wird ein Jahr des Wachstums, nicht nur für mein Business, sondern auch für mich persönlich. Ich freue mich darauf! Herzlichen Dank an alle, die mich auf dem Weg unterstützen, begleiten, aufbauen, anspornen, challengen und die einfach für mich da sind.

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